Freimaurerei

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Am Anfang stand eine Frage

Als mein Bruder Hagen mich vor einiger Zeit fragte „Was ist Freimaurerei für Dich?, war die Antwort klar: Lebenspraxis nicht Hobby.

Warum? Dazu muss ich etwas ausholen. Macht es euch also bequem und folgt mir durch mein freimaurerisch-spirituelles Leben.

Ein Hobby übt man aus, wenn es die Zeit zulässt. Freimaurerei ist immer. Sprich: Sie beeinflusst wie jede spirituelle Lebensweise alles, was man tut. Und wenn ich mal nicht maurerisch handele, meldet sie sich irgendwann als  innere Stimme, die fragt „War das jetzt ok so?“ 

Drei Männer

Geboren bin ich als Profaner. Niemand wird als Freimaurer  geboren. Ich lernte, wie ich im Nachhinein feststelle, den ersten Freimaurer in meiner Familie kennen: meinen Opa.
Er kein echter Freimaurer, lebte aber wie einer. Er war friedlich, ausgleichend, liebevoll und ein Mann, der Kompromisse mehr schätzte als die bedingungslose Konfrontation. In Glaubensfragen konnte er bestimmt sein, jedoch ohne Dogmen anzuhaften. Er war Calvinist, seine Frau katholisch. Probleme im Glauben? Nie. Die Form war egal, der gemeinsame Inhalt zählte.

Den nächsten Freimaurer traf ich als Reporter im Niedersächsischen Landtag: Er war ein harter Hund in der Politik, Fraktionschef, Wadenbeißer, aber nie ehrabschneidend. Dass er Bruder war, erfuhr ich erst, als ich selbst aufgenommen worden war.

In meiner tiefsten Krise, ich war arbeitslos, fand ich die ersten Bücher des Franziskanerpaters Richard Rohr. Sie nahmen mich sofort gefangen und ich machten mich auf die Suche nach einer Männergruppe.
Nein, nicht eine dieser Auto- und Fußballgruppen. Es sollte um mich und meine Gefühle, meine Ängste aber auch Hoffnungen gehen.

Auf der Suche nach so einer Männergruppe fand ich zunächst eine Opfer-Gruppe. Vier Männer, die sich abwechselnd bei einem der Mitglieder trafen und redeten. Dabei war „Reden“ das falsche Wort: Sie suhlten Sie sich in ihrem Leiden, ihrem Selbstmitleid und den Ungerechtigkeiten dieser ach so harten Welt, in der sie sich von allen herumkommandiert fühlten: von den Chefs, den Umständen, ihren Frauen und Kindern. Nach zwei Treffen war für mich Schluss.

Es sollte zwei weitere Jahre dauern, bis ich den dritten Bruder traf. Es war ein Kollege, der sich mir offenbarte und mich dann eineinhalb Jahre auf meine Aufnahme vorbereitete – berufsbegleitend sozusagen. Er wurde mein Pate, begleitete mich durch die ersten Jahre des Logenlebens bis heute.

Was zeichnet diese drei Männer aus?

Sie lebten, was sie lehrten. Und: Sie waren und sind  gläubige Männer, die kein Tamtam um ihren Glauben machten, sondern ihn in sich trugen, tief verwurzelt, und ihn aus sich heraus lebten wie das Atmen. 

Perspektive _Mannsein_ritueller Übergang Initiation Schwellenraum

Ein langer Weg

Nach meiner Aufnahme suchte ich meinen Platz in der Loge, durchlebte als Geselle die freimaurerische Pubertät: Denn nach der ersten Aufnahme in einen neuen Grad wusste ich natürlich alles besser als die Brüder, die seit 30 Jahren und mehr Jahren Freimaurer waren.

Langsam fand ich meinen Platz, wurde Redner und erarbeitete mir, während ich die Vorträge für die Loge schrieb, mein Wissen über die Freimaurerei.

Es sollte zehn. Jahre dauern, bis bei mir der Groschen fiel: Nach einer gescheiterten Wahl zum Logenmeister, erlebte ich eine tiefe Krise mit Zweifeln an mir, der Freimaurerei, den Brüdern, ja selbst an meinem Paten, der meine Wahl aktiv behindert hatte. Ich dachte an Austritt. Doch einige Brüder überzeugten mich und so blieb ich. 

So ein Logenmeister wird immer vom obersten Beamten der Großloge (hier: Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland, Freimaurerorden) eingesetzt und so kam es zu jenem denkwürdigen Tag: Der Landesgroßmeister rief mich im Tempel zu sich, ich kniete nieder für die Einsetzung – und war plötzlich in einer anderen Welt:

Es gab nur noch ihn, den Dreifach Großen Baumeister – sprich Gott – und mich. Die Verbindung zwischen dem Bruder und mir war so intensiv, so vertraut, so selbstverständlich, dass ich dafür den Begriff „Initiation“ verwende.

Es gab ein „Mehr“: mehr als diesen Ort, diesen Raum, diese Stelle. Es war ein geheiligter Moment. Ich begriff, dass hier mehr geschah als die reine Handlung. Ich wurde verwandelt, nicht heilig, nicht besonders. Nein, in mir wurde eine Tür aufgeschlossen, ein Vorhang beiseite gezogen, Licht auf den Weg geworfen… 

Parallel las ich die Bücher von Richard Rohr. Und ich ging noch einen Schritt weiter: Im Jahr 2016, zwölf Jahre nach meiner Aufnahme zum Freimau- rer, wurde ich nach dem Ritual von Richard Rohr (MROP – Mens Rites of Passage) in eine neue, ergänzende Dimension des Mannsein initiiert.

Dieses Ritual verbunden mit der jahrelangen Lektüre von Richards Büchern und den Erfahrungen aus der Freimaurerei, wirkten wie ein Brandbeschleuniger. Ich lebte plötzlich einer Klarheit, einer Konsequenz, die mir fast schon unheimlich war. Nein, ich bin nicht perfekt, ich bin kein Heiliger, nicht einmal fast. Ich bin immer noch auf der Suche, mache Fehler, versage, gehe Umwege oder lande in Sackgassen.

Denn parallel hatte ich mich mit einem Bruder, mit dem ich mich monatelang heftig gestritten hatte, ohne Aussprache versöhnt. Vergebung ist eine Starke Macht, erfuhr ich aus dieser heilenden Begegnung. Und so wandte ich diese beglückende Erfahrung nach monatelangem Hadern mit mir  auch auf mein „Schicksal“ in der Loge an. Es folgte eine Aussprache mit dem Konkurrenten und dem Paten, eine Versöhnung mit beiden sowie eine jahrelange sehr fruchtbare und vertrauensvolle Zusammenarbeit für die Loge.

Und so wuchs ich, wie ich im Nachhinein feststelle, in dieser Zeit immer tiefer in die Freimaurerei hinein. Das erkannten offenbar andere Brüder und wählten mich ein Jahr nach der Krise zum Wort- führenden Andreasmeister, also zu einem Logen- meister der zweiten Abteilung unserer Lehrart. Doch die Wahl, so wichtig sie für die innere Aussöhnung war, war nur eine Seite Medaille.

(und ihre liebenden Ergänzungen)

Es ist hart ein Mensch zu sein, aber ich trage das was ich tragen kann und soll.

Ich bin nicht wichtig, aber mein Name ist bei IHM notiert.

In diesem Leben geht es nicht um mich, jedoch ich lebe, aber nicht mehr ich, sondern der Obermeister lebt in mir.

Ich habe nicht die Kontrolle, aber wer kann schon sein Leben um eine Handbreit verlängern?

Es stimmt: Ich werde sterben, aber nichts kann mich scheiden von der Liebe Gottes.

Mehr dazu bei Richard Rohr HIER

 

Nicht "entweder oder", sondern anerkennen, was ist

Aber ich kenne den Weg, weiß, wie ich diese Suche möglichst sinnvoll und gottverbunden gestalten und wieder zurückfinden kann, wenn ich mich verirre. Und ich erkenne in mir, dass es nicht um richtig oder falsch geht, nicht um „entweder oder“, sondern um das demütige Anerkennen dessen, was ist. Nicht fatalistisch oder resignierend, sondern heilend und erleichternd. Dabei spielen auch die fünf harten Wahrheiten nach Richard Rohr eine Rolle.

... und lebe als Mann

Freimaurerei hat mich wieder auf den spirituellen Pfad meines Lebens geführt.

Dem gebe ich mich hin – als Mann, Ehemann, Vater, Kollege und Bruder – als ganzer Mensch. 

Menschsein ist kein Hobby, es ist Lebenspraxis.

Anmerkung: Dieser Text von mir ist erstmalig Anfang Juli 2020 auf dem spirituellen Blog www.hagenunterwegs.com erschienen. Für AKONO – Perspektive Mannsein habe ich ihn reddaktionell an das Layout der Seite angepasst.

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