Moritz' Brief
„Mann sein, was bedeutet das für dich?“ fragte ich vor einiger Zeit Moritz, den Sohn eines verstorbenen Kollegen. Ich hatte Ihn in den Wochen vor dem Tod seines Vaters näher kennengelernt. Wir sind in Verbindung geblieben und sprechen regelmäßig über „Gott und die Welt“ also auch über unsere Vorstellungen von Männlichkeit, Mannwerden und Mannsein. Irgendwann habe ich Moritz gefragt, ob er seine Gedanken zum Mannsein und Mannwerden für Akono – Perspektive Mannsen aufschreiben könne. Sein Brief – er schrieb ihm mir per Hand, „da ich mir so mehr Gedanken machen konnte“, ist der Teil 2 der Serie „Gedanken über das Mannwerden.“
Danke für dein Vertrauen, Moritz.
Pace e bene
Stefan
Die große Frage
„Mannsein. Was bedeutet das eigentlich für Dich, Moritz?“ Wenn ich ehrlich bin, habe ich mir noch nie richtig Gedanken gemacht, bis Du , Stefan mich gebeten hast, meine Gedanken zum Mannsein niederzuschreiben. Ich musste tatsächlich erst einmal einen Moment innehalten und habe überlegt: Habe ich mich schon einmal richtig damit beschäftigt oder genauer gefragt, was es für mich bedeutet, ein Mann zu sein?
Meine ehrliche Antwort ist: Nein.
Bestimmt habe ich schon häufiger über diese Frage nachgedacht, ohne tiefer einzutauchen. Ich habe sie immer mit einfach Definitionen beantwortet, wie man sie im Wörterbuch findet und für mich festgelegt, dass ein Mann genauso ist, wie es im Buch steht. Männer waren dür mich immer die Älteren. Ganz egal, ob es sich dabei um meinen Vater, meinen Opa, einen Nachbarn oder die Abiturienten in der Schule handelte.
Früher, dachte ich...
Natürlich habe ich in all den Jahren dazugelernt und unterschiedliche Erfahrungen gemacht, die mich beim Mannwerden begleiten. Deshalb kann ich mir heute schon ein anderes und besseres Bild davon machen, was Mannsein eigentlich bedeutet.
Mannsein bedeutet für mich lebenslanges Mannwerden, die Gewissheit, dass man immer dazulernt und man für sich immer neu definieren kann, was ein Mann eigentlich ist und was ihn ausmacht. Es bedeutet somit auch, nicht immer an seinen alten Vorstellungen festzuhalten, sondern an seinen vielen Erfahrungen im Leben zu wachsen.
Für mich bedeutet Mannsein auch ein lebenslanges Kindsein. Also, das Kind nicht zu verlieren, nicht zu vergessen, woher man kommt und gleichzeitig mit neugierigen, offenen und vorurteilslosen Augen durch die Welt zu gehen. Ohne dieses Kind wäre ich nicht der Mensch, der ich heute bin.
Lebenslanges Werden
Für mich war immer klar, dass ich ein Mann werde, wenn ich das Erwachsenenalter erreicht habe, dass nach dem Kindsein und der eigenen Jugend ganz automatisch das Mannsein folgt.
Wenn dieses Kind wüsste, wie es tatsächlich ist!
Im November 2020 bin ich 28 Jahre alt geworden. Ich bin also schon zehn Jahre im sogenannten Erwachsenenalter. Und trotzdem weiß ich nicht, was Mannsein eigentlich bedeutet. Als Kind werde ich sicher gedacht haben, dass ich mit 28 mit beiden Beinen fest im Leben stehe, eine eigene Familie hab, möglicherweise mit eigenem Haus, meine Frau und meine Kinder versorge und den vielen Herausforderungen des Lebens furchtlos entgegentreten kann, weil ich weiß, wie das Leben spielt und weil ich ein richtiger Mann bin.
In Wahrheit werde ich dieser Vorstellung nur ansatzweise gerecht. Und das ist auch gut so.
Selbstbestimmung - Mut - Verantwortung
Gleichzeitig bedeutet Mannsein auch, sein Leben selbstbestimmt und mutig in die eigene Hand zu nehmen und sich nicht abhängig zu machen. Ich übernehme als Mann Verantwortung für mich und mein Leben, damit ich auch Verantwortung für andere übernehmen kann, und ich schrecke nicht davor zurück, wenn die Herausforderungen des Lebens hinter der nächsten Ecke auf mich warten. Ich nehme diese Herausforderungen an und mache solange weiter, bis ich sie gemeistert habe.
Für mich heißt Mannsein aber auch, um Hilfe zu fragen, wenn ich mich hilflos fühle. Es bedeutet offen und ehrlich sich selbst und anderen gegenüber zu sein, emotional sein zu können und urteilsfrei darüber zu sprechen was mich beschäftigt. Es bedeutet, ein ehrliches, ehrbares Leben zu führen, für sich und seine Taten einzustehen und sich zu entschuldigen, wenn man Fehler gemacht hat.
Mannsein heißt auch, seinen inneren Frieden und sein eigenes Glück zu suchen, um mit sich selbst im Reinen zu sein. Es heißt nicht nur andere, sondern vor allem auch sich zu lieben und einfach Mensch zu sein.
Mannsein, bedeutet Menschsein.
Moritz B.