Literatur: Eisenhans

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Keiner wird als Mann geboren

… er wird dazu gemacht.  Das ist die Kernaussagen des Klassikers „Eisenhans – ein Buch über Männer“ von Robert Bly. Erstmals 1993 auf Deutsch erschienen, wird es seit 2005 bei Rowohlt verlegt.

In zehn Kapiteln beschreibt Bly anhand des Grimm‘schen Märchens Eisenhans (Es ist am Ende des Buches als Lesestück abgedruckt) die Entwicklung vom Jungen zum Mann. Dabei geht er davon aus, dass die gesellschaftlich tradierten Bilder vom Mannwerden und -sein überholt sind und oft eine gesunde seelische Transfomation des Mannes be- oder sogar verhindern.

Die Archetypen im Zentrum

Er setzt diesen falschen, teilweise toxischen Bildern die Kraft der Archetypen entgegen, jenen Strukturdominanten in der menschlichen Psyche, die unser Handeln beeinflussen. Entlang der Handlung und der damit abgebildeten Entwicklungsgeschichte des Königssohns auf seiner „Reise“ mit dem wilden Mann beschreibt Bly dabei, was es braucht, um aus einem Muttersöhnchen einen selbständig denkenden, entscheidenden und handelnden Mann zu machen.

Märchen als Blaupause

Nicht verwunderlich ist, dass Robert Bly alle Lebensphasen des Königssohns den Phasen und Wirkkreisen der klassischen Initiation zuordnet. Damit hebt er sein Buch über eine bloße Analyse dieses einen Märchens hin aus. Bly macht vielmehr deutlich, dass in jedem Märchen (Ausnahme sind wohl die Märchen von Hans Christian Anderson, der seine Geschichten erfunden hat.) ein sehr tiefer, auf allgemeingültige Zusammenhänge hinweisender Kern liegt – sei es eine ethische Botschaft, eine psychologische Entwicklung oder Reifung. Märchen sind mehr als schöne oder gruselige Erzählungen. Sie sind Blaupausen mit Grundbotschaften über Menschen oder die Gesellschaft , in der sie tradiert werden.

Eisenhans ist exemplarisch für die Entwicklung eines Mannes gewählt, die über mehrere Stufen – Trennung von der Mutter, Niederlage und Verletzungen, Tod und Trauer, Wiedergeburt und Integration an anderer Stelle – verläuft. War der Weg sinnhaft und erfolgreich, hat sich der Junge in einen Mann verwandelt, der seinen Platz gefunden hat, an dem er der Gesellschaft dienen kann, ohne gebrochen worden zu sein.

Keine sprituellen Bezüge

Anders als der Franziskaner-Pater Richard Rohr, der christlich-mystische protagonist der Männerbewegung, verzichtet Bly vollkommen auf transzendente Bezüge. Das tut der Qualität des Buches keinen Abbruch, im  Gegenteil: Es eröffnet die Chance für Männer, die dem Glauben nicht zugetan sind, einen Weg zur Heilung zu finden, ohne dass ihnen dabei vielleicht (traumatisch) belastete Begriffe wie Kirche, Religion oder Gott in die Quere kommen.

Blys „Eisenhans“ eignet sich trotz des Fehlens transzendenter Bezüge hervorragend auch für Männer, die spirituell unterwegs ist.
Denn Blys Gedanken und Ideen sind allgemeingültig, sie gelten für beiden Wege – den rein mythopodetischen also eher psychologisch orientierten aber auch für den psycholgisch-spirituell geprägten Transformationsprozess im Leben eines Mannes.

Eisenhans, Robert Bly, Rowohlt Verlag Hamburg, ISBN: 978-3499620157, 10 Euro

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