Initiation und Männerspiritualität
› In seinem Buch „Adams Wiederkehr – Initiation und Männerspiritualität“ geht er davon aus, dass alle großen Persönlichkeiten, dass alle, die aus einer Gruppe herausstechen, initiiert wurden – in ihr Wahres Selbst, in den Strom der Realität, wie er es nennt.
Demnach gehört die Initiation (Taufe) zu einem sinnvollen Reifungsprozess. Das Scheitern, der Schmerz, dieses „Sterben vor dem Sterben“, löse diesen Prozess aus und bereite den Menschen auf das „Großer Sterben“ vor. Auf dieser Basis entwickelt Richard Rohr auf 230 Seiten einen spirituellen Fahrplan für Männer.
Dabei setzt er fünf Grundannahmen voraus, die das Leben eines jeden Mannes prägen, die sogenannten „Fünf harten Wahrheiten.“
Fehlt etwas in unserer Gesellschaft?
Dass unserer Gesellschaft etwas fehlt, dass ihr Sinn und Ziel gibt, sagen viele. Ebenso viele benennen es, ohne dem Mangel abzuhelfen oder abhelfen zu können. Anders der deutschstämmige Franziskanerpater Richard Rohr, Gründer des Centers for Action and Contemplation (CAC) in Albuquerque New Mexico (USA).
Für ihn fehlen in unserer Gesellschaft Männer, die sich Ihrer Stärken und Schwächen bewusst sind, in diesem Bewusstsein leben und handeln, die sich allen Anfeindungen zum Trotz als geliebte Söhne fühlen und so Ihren „Mann“ stehen.
In diesem Abschnitt geht es um die Unterscheidung zwischen „Falschem Selbst“ und „Wahrem Selbst“, also zwischen der durch Angst, Kompensation und von Äußerlichkeiten bestimmten Persönlichkeit und dem unwandelbaren, gottgegebenen innersten Kern eines jeden Menschen.
Er handelt von den Verwundungen, die jeder Mann im Leben erfährt und die nur dann zu Wachstum und Sinn führen, wenn man sie als Botschaften, Zeichen oder Signal anerkennt, etwas zu verändern oder zu verzeihen.
Dieser Abschnitt behandelt die These, dass niemand aus sich selbst heraus wichtig ist: Er ist das Thema, trägt die Antwort in sich, aber er braucht Hilfe von außen, von einem Meister (Guru), der diese Antwort in ihm weckt, sonst bleibt er austauschbar, ein Platzhalter, ein Objekt, das seinen Wert nicht kennt und deshalb sein Potential nicht nutzt, nicht ausschöpft.
Es geht darum aufzubrechen, nicht zu theoretisieren zu planen und Vorsorge zu treffen. Es gilt das Ego loszulassen, die Bremsklötze wegzunehmen, loszulegen, sich nicht zu verstecken. Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde, …
Hier erklärt Richard Rohr, warum es nicht darum geht, „was man tun muss, um das ewige Leben zu erlangen“, sondern darum „wer man ist und wem gehört“.
Die Frage nach dem ewigen Leben stelle das Falsche Selbst, der Teil in uns, der etwas erreichen und beweisen will. Die zweite, die entscheidende Frage stelle das Wahre Selbst und bringe uns, so Rohr „in Schwierigkeiten.“ Denn sie stelle unsere Sicht auf die Welt infrage und führe uns direkt zu Gott, jedoch nicht auf einer bedingten, moralischen Ebene, sondern unmittelbar geliebt und untrennbar verbunden.
Dieser für Männer wohl schwierigste Abschnitt ergibt sich direkt aus dem vorhergehenden. Ja, es stimmt, wir kontrollieren unseren Alltag, die Termine in Freizeit, Beruf und Familie. Doch die großen Linien unseres Lebens bestimmen wir nicht allein, hier bestimmt „ein Anderer“ . Diesem „umfassenden Jemand“ bewusst die Kontrolle zu überlassen, unserer Existenz Sinn und Ziel, wie er Dag Hammerskjöld im Eingangszitat dieses Abschnitts sagen lässt.
Richard Rohr weist aber auch darauf hin, was es für uns bedeutet, keine Kontrolle zu haben, beschreibt die männliche Liebe im Unterschied zur Liebe der Frau / Mutter und deutet sie als Grundvoraussetzung für die Formung der Persönlichkeit des Mannes. Demnach sehnt sich jeder Mann nach der Anerkennung durch andere Männer. Fehlt diese Aufnahme in eine Gemeinschaft anderer Männer, gibt es Probleme. Denn diese Anerkennung überträgt, so Rohr, männliche Energie von einem auf den anderen Mann, etwa vom älteren auf den jüngeren Mann.
Doch weil Väter heute oft fehlen – durch Beruf, Scheidung oder Sucht etc. – scheitert die Übertragung, mit gravierenden Folgen für die Gesellschaft.
Diese fünfte und letzte harte Wahrheit ist bei Richard Rohr nicht der ultimative Schlusspunkt, nicht niederschmetternde Botschaft, sondern – wie die Auferstehung im Christentum – im Rahmen der männlichen Initiation eher ein Startpunkt, ein Katalysator.
Die vielfach schmerzvollen Rituale nehmen den tatsächlichen, den großen Tod, symbolisch, quasi spielerisch vorweg und bereiten, indem das Alte stirbt, etwas Neuen den Weg. Das Ritual ist Ausgangspunkt der Lebenswanderung. Und so lautet ein Kapitel dieses Abschnitts sinnigerweise „Wanderlust“.
Richard Rohr würde seiner Rolle als Mentor der spirituellen Männerbewegung nicht gerecht, würde er in diesem grundlegenden Buch nicht auf die Archetypen eingehen und sie nicht mit Jesus in Verbindung bringen.
Jesus - Hologramm des Universums
Diese dem kollektiven Bewusstsein zugeordneten Vorstellungs- und Handlungsmuster (Freud) vereint Jesus demnach in sich: Krieger, Liebhaber, Weisen und König. Das macht ihn für Richard Rohr zum „Holgramm des Universums“.
Jetzt folgt ein Abschnitt über die Initiation des Mannes in die vier Archetypen, der außerdem die positiven und negativen Aspekte jedes Archetypen beschreibt und analysiert.
Ritual oder Zeremonie?
Die Initiation vollzieht sich laut Richard Rohr nicht irgendwie frei schwebend, sondern nur in einem besonderen Raum, dem Schwellenraum – einem Ort des „Nicht-mehr-und-des-noch-nicht-seins.“
Für Ihn, Rohr, besteht die Aufgabe des biblischen Gottes und des menschlichen Schicksal darin, „die Menschen in diesen Schwellenraum zu versetzen und dafür zu sorgen, dass sie solange darin bleiben, bis sie etwas Essentielles und wahrhaft Neues gelernt haben.“ (S. 185). Dem Schwellenraum ist Logik fremd und er öffnet sich oft zur Unzeit. Zudem warnt der Franziskaner vor Räumen, die wie Schwellenräume aussehen, in Wirklichkeit aber Orte des Konsums und der Betäubung sind. Hier gebe es keine Rituale, sondern nur Zeremonien.
Abschluss
Am Ende von „Adams Wiederkehr“ stehe erneut die fünf harten Wahrheiten – jetzt ergänzt um die fünf positiven Botschaften.
Sie stammen aus dem Neuen Testament und sind nicht direkt Teil der von Richard Rohr gestifteten Initiation. Laut Rohr teilen sie sich jedoch unbewusst mit, weil sie Grundvoraussetzungen der Ältesten sind. Sie seien auch nicht vermittelbar, sondern „müssen sich aus der eigenen Erfahrung des jungen Mannes ergeben.“
Abgeschlossen wir das Buch durch ein Beispiel für ein fünftägiges Initiationsritual (MROP -Mens Rites of Passage), wie es von Richard Rohr entwickelt wurde, einer Liste von Quellen der sich der Autor bediente sowie und Kontaktadressen und Links für interessierte Männer.
Fazit
„Adams Wiederkehr“, die überarbeitete Version des Klassikers „Endlich Mann werden“ von Richard Rohr aus dem Jahr 2005, ist das Standardwerk zum Verständnis christlicher Initiationen. Einfach und verständlich geschrieben, logisch aufgebaut bildet es die Basis zum Verständnis der Ideenwelt des amerikanischen Mystikers und Protagonisten der spirituellen Männerbewegung.
ADAMS WIEDERKEHR, Paperback, 240 Seiten, ISBN 978-3-532-62450-0, Claudius Verlag, 18 Euro