Freimaurer und Religion

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Großes Streitpotential

Freimaurern haftet oft etwas Geheimnisvolles an. Hinzu kommen die vielen Titel und die Ehrbezeugungen im Tempel, die vielfach missdeutet werden und dazu einladen, dass sich manch Bruder selbst überhöht und als etwas Besonders sieht.

Doch egal ob Logenmeister oder einfacher Bruder, als Freimaurer bin ich ein stinknormaler Mensch. Ich bin nicht heilig, nicht makellos oder auswählt, sondern fehlerhaft, Stückwerk, ein Projekt, dauerhaft auf dem Weg, eine Dauerbaustelle sozusagen.

Das sei vorausgeschickt, denn an dieser Stelle geht es um das Thema, über das unter (deutschen) Freimaurern wohl am heftigsten gestritten wird – Freimaurer und Religion.

Streit darüber nur in Deutschland

Der Begriff Religion ist in und für unseren Bund ein Problem, weil er einlädt, die Freimaurerei wahlweise als Ersatzkirche zu sehen, als Projektionsfläche für Kirchenkritik oder – von außen betrachtet – als eine Art Anti-Kirche oder sogar glaubenszersetzende Organisation. Und er lädt ein, dass man die Brüder, als besonders oder gar heilig und auserwählt ansieht.

Nichts davon stimmt, das sei hier gleich klargestellt. Aber so sind Menschen nun einmal.

Dazu muss man anmerken, dass es diesen Streit über Freimaurer und Religion so heftig wohl nirgends in der freimaurerischen Welt gibt, sondern wohl nur in Deutschland. Und dass daran meiner Meinung nach eine missglückte Übersetzung aus dem Englischen schuld ist. Dazu später mehr. 

„Wie hältst Du es mit der Religion“ lautet folglich nicht nur die Gretchenfrage in Goethes Faust, sondern auch in der Freimaurerei. Schon in den Alten Pflichten von Anderson, sozusagen dem Grund gesetz der regulären Weltfreimaurerei, steht dazu im 1. Abschnitt (Ich zitiere nach dem Freimaurer-Wiki:

„Der Maurer ist als Maurer verpflichtet, dem Sittengesetz zu gehorchen; und wenn er die Kunst recht versteht, wird er weder ein engstirniger Gottesleugner, noch ein bindungsloser Freigeist sein. In alten Zeiten waren die Maurer in jedem Land zwar verpflichtet, der Religion anzugehören, die in ihrem Lande oder Volke galt, heute jedoch hält man es für ratsamer, sie nur zu der Religion zu verpflichten, in der alle Menschen Übereinstimmen, und jedem seine besonderen Überzeugungen selbst zu belassen.“

Dazu muss man wissen: Anderson war Anglikanischer Priester, also Christ, und wir schreiben das Jahr 1723. Das Christentum war die Basis der Religionsausübung in Europa. Aber er spricht nicht von Konfessionen. Sein Religionsbegriff meinte nicht Christen, Moslem, Juden oder, oder … sondern den ganz selbstverständlichen Glauben seiner Zeit an eine personale höhere Instanz, an einen Gott, eine Gottheit. Als Mann spricht er vom Great Architect oft the world. Das heißt übersetzt: Großer Baumeister der ganzen Welt.

Die Ziege - Symbol der Verachtung

Ein Hinweis sei an dieser Stelle gestattet: Nimmt man die Anfangsbuchstaben der ersten vier Worte des Begriffes Great Architect oft the world also g – o – a – t – erhält man das Wort Goat, das englische Wort für Ziege.

Und wenn Du im Internet unterwegs bist, wirst Du im Zusammenhang mit der Freimaurerei oft auf das Bild einer Ziege stoßen. Es ist ein Hinweis auf die üble Nachrede, dass Freimaurer bei der Aufnahme auf einem Ziegenbock reiten, dem Symbol des Teufels. Das ist natürlich falsch, aber die Leute hatten etwas zum Tratschen. Das nur nebenbei.

Zurück zum Begriff Religion Er meint im Andersonschen Sinn also nicht katholisch, evangelisch, sunnitisch, schiitisch oder oder oder… Es meint den Glauben an die höhere Macht, die alles erschaffen hat und die dabei personal und beziehungsfähig ist. Warum schreibe ich das?

Freimaurerei lebt Beziehung

Weil sonst für mich nichts in der Freimaurerei Sinn ergeben würde. Wäre die höhere Macht unpersönlich und beziehungsunfähig, wie zum Beispiel die Sammlung aller Naturgesetze, warum sollten wir uns in den Logen Brüder (oder Schwestern) nennen?

Wo kein Vater (oder keine Mutter), da keine Kinder, keine Söhne, keine Töchter, keine Brüder oder Schwestern.  

Gott ist Beziehung

Ein Naturgesetz ist nicht zu einer Beziehung fähig, das kann nur ein personales Gegenüber – ein Gott oder eine Gottheit, die alle Geschlechter-Identitäten vereint.

Deshalb halte ich die Übersetzung der Alten Pflichten für falsch, die das Higher Being statt mit Höheren Wesen mit Höherem Sein übersetzt. Das macht aus dem personalen Göttlichen ein beziehungsunfähiges Neutrum.

Deshalb kann es für mich auch keine atheistischen Freimaurer geben. Brüder, die das von sich sagen, machen sich meiner Meinung nach etwas vor.   

Doch zurück zur Freimaurerei, speziell zu der, die wir Brüder in der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland – Feimaurerorden (GLLFvD/FO) pflegen.

Spirituell, aber nicht Kirche

Für uns Brüder in der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland gibt es keinen Zweifel. Der Chef unserer Lehrart, wir nennen ihn Ordensherr, ist der Gott Abrahams und Isaaks, den auch die Juden und Moslems verehren. Unsere Obermeister, also der Mann, der allen Logen die inneren, die geistigen Aufgaben stellt, ist Jesus, der Christus. Gleichzeitig sind wir keine Kirche. Wie geht das?

Kein Jenseits-Versprechen

Nun, wir versprechen nicht, dass am Ende des freimaurerischen Wegen das ewige Leben steht. Wir versprechen nur viel Arbeit. Arbeit bedeutet bei uns, dass wir lernen, nach den Prinzipien zu leben, die unser Obermeister ganz undogmatisch und ohne konfessionelle Katechismen vorgelebt hat.

Das beginnt in der Johannisloge, deren Schutzpatron Johannes der Täufer die Menschen zur Umkehr, also zu neuem Denken auffordert, geht weiter in der Andreasloge, die einem der ersten Apostel geweiht ist und gipfelt im Ordenskapitel. All unser Streben ist es, uns beziehungsfähiger zu machen. Dazu lernen wir selbst uns zunächst immer besser kennen, arbeiten daran, unser Leben als zusammenhängende Geschichte zu begreifen, die Ursprung und ein Ziel, also einen Sinn hat, auch wenn wir den nicht immer verstehen. 

Selbstermächtigung zur Freiheit

Unsere Aufgabe als Freimaurer ist es, dabei immer die Große Liebesbeziehung zu leben.

Wir knüpfen zunächst bei uns selbst an, indem wir lernen, uns mit allen unseren Stärken und Schwächen anzunehmen und zu lieben, übertragen dies danach möglichst auf die Brüdern und Schwestern und üben damit das ein, was der Ursprung unseres Seins, der Schöpfer, der Dreifach große Baumeister, der Gott Abrahams und Isaaks, uns gegenüber ewig lebt.

Diese klassische Rückverbindung nennt man lateinisch religio. Das ist für mich nicht Kirche, sondern klassische Religion, undogmatisch, selbstermächtigend, frei. Es ist die Religion, in der alle übereinstimmen. Es ist aus meiner Sicht Freimaurerei.

Anmerkung: Diesen Text habe ich v erstmalig am 20. August 2020 im Rahmen der Blue Night im Hamburger Logenhaus an der Moorweidenstraße als Vortrag gehalten. Für AKONO – Perspektive Mannsein habe ich ihn behutsam überarbeitet und redaktionell an das Layout der Seite angepasst.

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