Literatur: Heile. Dich. Selbst.

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Was ist ein Trauma?

Wie erkennt man es? Kann man es loswerden, oder muss man damit leben? Wie behandelt man ein Trauma? Diese Fragen stellt Nicole LePera in Ihrem Buch „Heile. Dich. Selbst.“ und beantwortet sie auf 216 Seiten. Die US-Amerikanerin hat die Plattform „The Holistic Psychologist“ begründet und geht davon aus, dass selbst kleinste Traumata aus der Kindheit unser Leben tiefgreifend beeinflussen und das – wenn nichts dagegen unternommen wird – bis zum Lebensende.

Bekanntes neu verpackt

Das ist nicht neu, Mark Wolynn, den die Autorin zitiert und als Ideengeber nennt, hat dieses Phänomen in seinem 2016 erstmals erschienenen Buch „Dieser Schmerz, ist nicht meiner“ ausführlich beschrieben und dabei auch wirkkungsvolle Methoden vermittelt, mit denen man Schritt für Schritt Traumata bearbeiten und lernen kann, mit ihnen zu leben.

Überhaupt: Zitate bzw. Anleihen macht Lepera gerne. Das beginnt schon mit dem Vorwort, das den Titel „Die Dunkle Nacht der Seele“ trägt. So heißt das wegweisende Buch des US-amerikanischen Psychiaters Gerald G. May von 2004, in dem er den Wert von Trauma- und Schattenarbeit für spirituelle Erfahrungen beschreibt. Ihn und sein Werk erwähnt Nicole Lepera mit keinem Wort. Schade, hier verpasst sie  die Chance, externes Wissen zu vermitten.  ->

Evolution statt Revolution

Während Wolynn seine Methoden hauptsächlich auf verwandschaftliche Beziehungen und dort tradierte Traumata ausrichtet, weitet LePera ihren Ansatz auf alle Traumata aus – von der abwertenden Hänselei eines Sandkastenfreundes über das Mobbing in Schule oder Beruf bis hin zu sexuellem Missbrauch.

Ob das die vom Verlag auf dem Schutzumschlag angekündigte Revolution ist, darf bezweifelt werden. Ich nenne es eher eine Weiterentwicklung, eine Evolution. Die ist gelungen. Bleibt die Frage: Braucht es dann dieses neue Buch zum Thema „Wie ich lernte, mit dem Trauma zu leben.“?

Wissenschaftliche Basis

„Heile. Dich. Selbst.“ ist fundiert und zudem methodisch gut aufgebaut. Die Autorin führt die Leser in 13 Abschnitten immer tiefer in das Thema ein, beschreibt die Ursprünge von Traumata, ihre Entstehung, die Auswirkungen das tägliche Leben der „Opfer“. Das ist hochwissenschaftlich und komplex und die studierte Psychologin glänzt hier mit ihrem Fachwissen, das sie klar und verständlich vermittelt. Das ist für Einsteiger hilfreich, wer sich schon länger mit dem Thema beschäftigt, kann hier aber getrost weiterblättern.

Anstrengend persönlich

Anstrengend wird das Buch, weil Nicole LePera nicht nur viele Fallbeispiele aus ihrer psychologsichen Praxis anführt, sondern weil sie – in tiefster Überzeugung, das beste Heilmittel überhaupt gefunden zu haben, von den Fortschritten ihrer Klient*innen schwärmt. Das ist sehr amerikanisch, wirkt teilweise affektiert und „too much“.

Das gilt auch für die Passagen, in denen Nicole Lepera detailliert von ihrem eigenen Scheitern und Wachsen berichtet. Hier frage ich mich: Will ich das Lesen? Will ich wissen, wie „meine“ Beraterin zusammenbrach, sich wieder aufrappelte und sich aus dem Chaos neu erschuf? Mann wünscht es sich alles eine Nummer kleiner, bodenständiger,

Hilfreich und konkret

Gut wird das Buch immer dann, wenn es um konkrete Handlungsansätze geht:  Jedes Kapitel endet mit dem Abschnitt  „Tu Dein Werk“. Mit einem „Tagebuch an mein künftiges Selbst“ (TKS) soll sich der Leser zum Beispiel Klarheit darüber verschaffen, wo er auf dem im vorangegangenen Kapitel behandelten Gebiet steht, was er noch tun muss und so Schritt für Schritt die Kontrolle über sich und sein Leben zurückgewinnen und es gestalten.

Hilfreich und konkret

Doch Vorsicht: Aus der Summe der Handlungsempfehlungen ergibt sich ein Mammutprogramm. Denn LePera bezieht alle Lebensbereiche in den Preozess der Selbstheilung ein – Körper (Bewegung, Ernährung), Geist und Seele. Wer das Werk beginnen will, darf also nicht zimperlich sein: Denn das Abschneiden alter Zöpfe beendet den Status Quo. An seine stelle tritt ein kontinuierlicher, nie endender Veränderungsprozess.

Auch das ist nicht neu, nur so ein ganzheitlicher Ansatz kann schnell anstrengend werden oder auch überfordern. Das sollte jede/r bedenken, der dem holistischen Ansatz von Nicole LePera folgen will. ->

Fazit

Ich würde „Heile. Dich. Selbst.“ nicht kaufen. Nicht weil es schlecht ist, sondern weil es in Sprache und Ansatz nicht zu mir passt. Und weil es aus meiner Sicht Bekanntes lediglich neu fasst oder anders beschreibt. Nicole Lepera schreibt mir zu ausschweifend. Ich arbeite lieber mit dem nücchternen Buch von Mark Wolynn. Er braucht weniger Fallbeispiele und  wissenschaftliche Erklärungen, um dasselbe zu sagen. Gleichzeitig bietet er sehr konkrete, männliche und damit zu mir passende Handlungsempfehlungen an.

„Heile. Dich. Selbst.“ von Nicole LePera, Arkana-Verlag, Hardcover, 432 Seiten, ISBN: 978-3-442-34276-1, 20 Euro

Anmerkung: Diese Rezension ist mit freundlicher Unterstützung des Arkana-Verlages entstanden, der mir das Buch als kostenloses Rezensions-Exemplar überlassen hat. Vielen Dank für diese Unterstützung.

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