Mannwerden heißt verletzt werden

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Die heilige Wunde

Mannwerden heißt verletzt werden. Jeder Mann erlebt das in den Jahren seiner Reifung. Und wie immer gibt es mindestens zwei Möglichkeiten, wie er mit der Wunde umgehen kann: Er kann sie leugnen und dabei cool überspielten, dass er verletzt wurde. Oder er kann sie annehmen und von ihr lernen. Im ersten Fall wird er zwar die Anerkennung seiner Freunde ernten, aber er wird sich auf Dauer stumpf und leer fühlen. Nur der zweite, der schwerere Weg wird ihm Erfüllung, inneren Frieden und tief gehende Freude geben.

Nein, ich plädiere nicht dafür, die Wut und den Schmerz über die Verletzung zu übergehen, oder nicht über Verlust und Betrug zu weinen. Das alles muss sein. Doch nach der Zeit der Asche muss der Mann sich erheben und der Sache auf den Grund gehen. Er muss den persönlichen Anteil an dem Verlust oder Betrug erkennen. Er muss sich eingestehen, was er – oft nicht schuldhaft oder absichtlich – dazu beigetragen hat, dass er verletzt wurde. Erst wenn er seinen Anteil erkannt und angenommen hat, dann kann die Heilung beginnen und aus der Verletzung eine heilige Wunde werden.

Der Riss, durch den das Licht einfällt

Dieser Mechanismus gilt nicht nur im Kleinen, sondern auch in der Gesellschaft. Oft verzweifeln wir an Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Sexismus, Ausbeutung oder der Zerstörung der Umwelt. Und diese Verzweiflung führt nicht selten zu Hass und Gewalt. Diese Wunde wird abner erst dann zur heiligen Wunde, wenn wir, wenn Du und ich, wenn jeder Einzelne und die Gesellschaft ihren Anteil am Scheitern, an Rassismus, Fremdenfeindlichkeit Ausbeutung und Zerstörung, sprich an Ausgrenzung und Gewalt, anerkannt und betrauert hat. Dann wird diese klaffende Wunde zum Point of no Return für Dich und andere, zum Riss, durch den das Licht einfällt, wie Leonard Cohen es in seinem Anthem (Choral) besingt:

ANTHEM
(Leonard Cohen)

The birds they sang
At the break of day
Start again
I heard them say
Don’t dwell on what
Has passed away
Or what is yet to be.

Choral auf Deutsch

Die Vögel sangen
Im Morgengrauen
Fang nochmal an
Hörte ich sie krächzen
Verweile nicht bei dem
Was vergangen ist
Oder noch kommen wird

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Dan Ruse

    Dankeschön, hat mir gut gefallen. Dein Text erinnerte mich an Hesse’s Siddhartha und die Wunde, die Siddhartha erleiden und erleben musste, um an ihr zu wachsen.

    Irgendwann blühte sie auf.

    Sehr schön auf dieser Seite zusammengefasst :

    https://spiritualitaet-dresden.de/archives/1601

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