Literatur: Breathwork

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Die Kraft der Atmung

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Wer jemals meditiert, Holotropes Atmen ausprobiert oder Autogenes Training gemacht hat, kennt die Macht des Atems: Er beruhigt oder aktiviert, er ist Zeichen für Erregung oder Entspannung. So kann man etwa beim Sprechen erkennen, ob jemand entspannt (tiefe Stimmlage) oder aufgeregt ist (hohe Stimmlage).

Auch auf dem Gebiet der Spiritualität wird der Atem genutzt, um sich Bewusstseinszustände zu beeinflussen: Ob beim Yoga, den Mantras des Buddhismus, den Gregorianischen Gesängen des Stundengebets, oder dem Rhythmus des Rosenkranzgebetes – überall beeinflusst der Atem  die Gefühle und Stimmungen der Menschen. Laut einer verbreiteten These soll sogar der verhüllte Gottes-Name JHWH, das sogenannte Tetragramm – eine Atemübung sein, mit der die direkte Verbindung zu Gott hergestellt werden kann. Logisch, dass der Atem heute als Mittel der Selbstoptimierung angepriesen wird.

Atemarbeit - Arbeit an sich sich selbst

In ihrem neuen Buch „Breathwork – Die Magie Deiner Atmung“ beschreibt Autorin Johanna Lehmann zunächst ausführlich die die Grundlagen der Atmung: Es geht Kohlendioxid-Gehalt, um Bauchatmung, das Superorgan Nase und seinen Einfluss auf die Atmung  sowie den Einfluss des Atems auf  das Nervensystem des Menschen.

In Teil 2 wird  Johanna Lehmann konkret. Unter der Überschrift  „Durch Atmung Gemütslage und Gesundheit verändern“ beschreibt sie Übungen, mit denen man unerwünschte Emotionen loslassen, Stress schnell bremsen, Ruhe finden sowie Sorgen und Ängste vertreiben kann. Diese kurzen Übungen wirken auf den ersten Blick, als solle man „Instant-Kaffee für die Seele“ trinken. Aus eigener Erfahrung weiß ich jedoch, wie effektiv schon die einfache 4-7-8-Übung (4 Sekunden einatmen, 7 Sekunden anhalten, acht Sekunden ausatmen) selbst bei Panikattacken sein kann.

Einfaches Konzept

Die Übungen im Buch Breathwork sind einfach und gut nachvollziehbar. Ein QR-Code am Ende einzelner Übung führt auf die Internetseite der Autorin (Achtung! Bei der Anmeldung wird die Mail-Adresse gespeichert.), wo die Übungen genauer erklärt werden. Diese „Startseite“ führt über Links zu einer schmalzig-kitschigen Instagram-Wühlfühlseite mit Kurzfilmen („Manifestieren geht das?“ „Panikattacken lindern“). Ebenfalls nervig: Die Autorin arbeitet für meinen Geschmack zu häufig mit personalisierten Einstiegen („Karla, eine 42jährige Frau und Anwältin…“ oder „Geschichten, wie die von Tom (35), einem agilen Unternehmer…“). Das ist in der Selbsthilfeliteratur gerade schwer in Mode, doch Lehmanns Figuren wirken hölzern, unecht, nicht authentisch. Da hilft es wenig, dass Johanna Lehmann dutzende Studien über die positiven Auswirkungen des Atems auf Körper und Geist zitiert. Die schiere Menge an Zitaten ist erschlagend und wenig hilfreich. Wer kann die Relevanz der einzelnen Studien prüfen? Das Ganze wirkt wie ein Stilmittel und eine Rechtfertigung, erhöht aber in meinen Augen nicht die Glaubwürdigkeit. Weniger wäre an dieser Stelle eindeutig mehr gewesen.

Risiken von Breathwork

Weil der Atem so unmittelbare Auswirkungen auf unseren Körper (und unsere Psyche) haben kann, baut Johanna Lehmann immer wieder Warnhinweise in ihr Buch ein. Ausführlich beschreibt sie in Teil 1, für welche Gruppen die Übungen nicht geeignet sind – unter anderem Patienten mit COPD, Asthma, Herzkreislauf-Krankheiten, Epilepsie etc..

Gleichzeitig bietet die Autorin aber für fast jeden Lebens- und Problembereich eine Atemlösung an. Da bleibt die Frage: Wie will sie verhindern, dass verzweifelte Patientinnen und Patienten trotz der vielen Warnungen diese Übungen machen, obwohl sie zu einer der Risikogruppen gehören? Hier klafft für mich eine Verantwortungslücke, die auch mit noch so vielen Sicherheitshinweisen nicht wirkungsvoll zu schließen ist. 

Fazit

Die Übungen in „Breathwork – Die Magie deiner Atmung“, die oft mit Affirmationen und meditativen Elementen arbeiten, sind gut aufgebaut. Vieles scheint zu einfach, um wahr zu sein. Kapitel 3, das sich ausschließlich an Frauen wendet, will ich als Mann nicht bewerten. Bei Übungen wie „Selbstheilung von (kleinen) Traumata“ bin skeptisch. Die dort gemachten Versprechungen (Was ist ein kleines Trauma?), können Wünsche wecken, die entweder nicht erfüllt werden (können) oder nur während einer Psychotherapie zu erreichen sind. Grundsätzlich kann das  Buch  helfen, Gesundheit und Kraft im Alltag zu fördern. Allerdings scheue ich mich, eine allgemein positive Empfehlung auszusprechen.

Breathwork – Die Magie deiner Atmung, Johanna Lehmann, Herder Verlag, 280 Seiten,
ISBN  978-3-451-60124-8, 22 Euro

Anmerkung: Das Buch „Breathwort – die Magie Deiner Atmung“ von Johanna Lehmann wurde mir vom Herder-Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Ich bedanke mich beim Verlag für die Unterstützung.